Fristlose Kündigung nach rassistischen Äußerungen möglich?

Angesichts des derzeitigen gesellschaftlichen Klimas müssen sich auch die Arbeitsgerichte immer öfter damit beschäftigen, welche Handlungsmöglichkeiten der Arbeitgeber hat, um Beschäftigte vor rassistischen Äußerungen zu beschützen. Wann eine derartige Äußerung zu einer Kündigung berechtigen kann, klärte u.a. das Arbeitsgericht in Stuttgart (ArbG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2019 – 11 Ca 3737/718).

Sachverhalt:

Im zu entscheidendem Fall war der Kläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt und hatte außerdem mit dem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag (Freistellung ab 01.05.2021) geschlossen. Zusätzlich genießt er durch eine tarifliche Regelung aufgrund seines Alters besonderen Kündigungsschutz.

Der Kläger, der seit 35 Jahren im Betrieb arbeitete, hat sowohl verbal als auch in Form von Whatsapp-Textnachrichten rassistische Äußerungen gegenüber seinem türkischen Kollegen verübt – so z.B. Hakenkreuze, Hitlerbilder oder auch explizit menschenfeindliche Inhalte gegen Türken. Dagegen führte der Kläger an, dass teilweise auch andere Personen Nachrichten von seinem Handy verschickten und der Betroffene seinerseits pornografisches Material an den Kläger über Whatsapp verschickte.

In dem Betrieb wiesen sowohl die Richtlinie über integres Verhalten als auch eine Betriebsvereinbarung auf das Diskriminierungsverbot hin und fordern auf, Belästigungen und Mobbing zu unterlassen. Bei Verstoß ist ausdrücklich auch die fristlose Kündigung als mögliche Maßnahme aufgeführt.

Nachdem der Betroffene zunächst am 28.03.2018 seinen Teamleiter über die rassistischen Belästigungen informierte, wurden nach Abschluss der Ermittlungen sowohl die Schwerbehindertenvertretung, der Betriebsrat und das Integrationsamt im Mai 2018 angehört. Daraufhin kündigte der Beklagte (Arbeitgeber) dem Kläger am 04.06. und nochmals am 05.06.2018 fristlos (mit sozialer Auslauffrist).

Weil der Kläger der Meinung war, dass die Zweiwochenfrist aus § 626 BGB nicht eingehalten wurde, auch eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre und außerdem die Altersteil-zeitvereinbarung den Anspruch ausschließe, erhob er eine Kündigungsschutzklage.

Diese wies das Arbeitsgericht Stuttgart ab.

Begründung:

Hinsichtlich formeller Probleme der Kündigung hatte das Arbeitsgericht keinerlei Bedenken. Die Anhörungen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden und auch die Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor.

Der Kläger hat den Betroffenen nicht bloß einmal, sondern fortlaufend verbal und per Whatsapp beleidigt, sodass ein wichtiger Grund aus § 626 BGB vorliegt. Zwar sprechen die Beschäftigungszeit, das Alter und die Schwerbehinderung des Klägers und der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung gegen die Zulassung der fristlosen Kündigung. Da die Vorgehensweise des Klägers aber ein massives Fehlverhalten über mehre Monate hinweg verdeutlicht und auch eine Abmahnung angesichts der Schwere der Vorfälle nicht angemessen gewesen wäre, war die Kündigung auch verhältnismäßig. Zuletzt war auch die Zweiwochenfrist aus § 626 BGB gewahrt, da der Arbeitgeber erst am 05.05.2018 Kenntnis von den Ergebnissen der Ermittlungen erhalten hat und etwa ein Monat für die Ermittlungen auch angemessen erscheinen.

Zusätzlicher Hinweis:

Sofern sich die Beschäftigten allerdings außerhalb des Betriebes rassistisch verhalten, muss für eine Kündigung nach Ansicht der Arbeitsgerichte die Öffentlichkeit eine Verbindung zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber herstellen können.

Außeracht gelassen wurde in vorliegender Entscheidung das AGG, gegen welches der Kläger durch die Benachteiligung in Form der rassistischen Belästigung iSd § 3 III AGG verstieß. Der Arbeitgeber musste daraufhin gem. § 12 III AGG die Beeinträchtigung unterbinden, wobei im AGG auch die Kündigung als mögliche Maßnahme aufgelistet ist. Solche Verhaltensweisen verstoßen definitiv gegen den Arbeitsvertrag, sodass sie grds. eine Kündigung rechtfertigen werden.