Vergütungspflichtige Arbeitszeit? – An- und Abreise zu Fortbildungsveranstaltungen

Mit der Frage, ob Reisezeiten vergütet werden müssen, hat sich das BAG in der Vergangenheit bereits intensiv beschäftigt. In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG 6. Senat, Urt. v. 15.11.2018 – 6 AZR 294/17) zu entscheidenden Fall ist der Kläger bei dem Beklagten als ärztlicher Gutachter angestellt, wobei im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ein Manteltarifvertrag für den Bereich des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK-T) Anwendung findet.

In früherer Zeit nahm der Kläger mehrfach im Auftrag und im Interesse des Beklagten an Fortbildungen teil, dessen Kosten der Beklagte immer in voller Höhe trug. Allerdings erkannte der Beklagte die Fortbildungszeiten sowie die Zeiten der An- und Abreise zunächst nicht als Arbeitszeit an. Eine Gutschreibung als Arbeitszeit, und eine Feststellung, dass „die Zeiten der An- und Abreise zu bzw. von arbeitgeberseitig angeordneten und genehmigten Fortbildungsveran-staltungen als vergütungspflichtige Arbeitszeit im Arbeitszeitkonto […] gutzuschreiben“ sind, war daraufhin Gegenstand dieses Rechtsstreits.

In erster Instanz entschied das Arbeitsgericht, dass lediglich die Fortbildungszeiten Arbeitszeiten darstellen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag auch hinsichtlich der An- und Abreisezeit stattgegeben, allerdings den Feststellungsantrag als unbegründeten Globalantrag zurückgewiesen, da dieser auch arbeitsfreie Tage beinhalten und dadurch § 12 Abs. 8 S.3 MDK-T widersprechen würde, der nur eine hälftige Anerkennung als Arbeitszeit vorsieht. Der Beklagte ging in Revision und der Feststellungsantrag wurde durch den Kläger unter Ausklammerung der Fälle der An- und Abreise an einem arbeitsfreien Tag weitergeführt.

Das BAG entschied zugunsten des Klägers und hat dem Leistungs- und dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben.

  1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus § 611 a BGB (a.F.) i.V.m. § 12 Abs. 8 S. 1-3 MDK-T.

Durch die Anordnung der Teilnahme an der Fortbildung im dienstlichen Interesse wurde diese „Teil der dem Kläger unmittelbar übertragenen Arbeitsaufgabe und damit zu seinem Dienstgeschäft“ Dabei steht weder § 10 Abs. 1 Anlage 3 MDK-T entgegen noch ist erheblich, mit welchem Transportmittel der Arbeitnehmer die Fortbildung erreicht. Allein eine abweichende Regelung würde eine andere Entscheidung rechtfertigen.

  1. Nach Ansicht des BAG hatte der Kläger ohnehin nur ein Feststellungsbegehren für die Fälle, in denen die An- oder Abreise nicht an einem arbeitsfreien erfolgte.

Allerdings ist zu beachten, dass auch ohne die tarifliche Regelung der Klage hätte stattgegeben werden müssen: Ordnet der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts im betrieblichen Interesse eine Dienstreise an, macht er diese Fahrt zur arbeitsrechtlichen Verpflichtung. (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 226/16 Rn. 22)

Fazit: Die Arbeitgeber haben Zeiten der An- und Abreise zu Fortbildungsveranstaltungen als Arbeitszeit zu vergüten bzw. im Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.